Mittwoch, 13. November 2013

Rugby mit Bischofsstab


Etwas, das UniFIT-Mitglied Martin Hennrich an den Amerikanern nie verstehen wird, ist ihre Vorliebe für seltsame Sportarten. König Fußball ist in den Staaten relativ unpopulär, während sich Baseball und American Football größter Beliebtheit erfreuen. 
Lacrosse ist eine weitere dieser Sportarten. Kennt ihr nicht? Ihm ging's nicht anders. Dabei gibt es in Passau sogar einen Verein. Außerdem ist es Teil des Hochschulsportprogramms. Grund genug für Martin, es sich einmal selbst anzusehen.

Erfunden haben die Sportart tatsächlich die Amerikaner - allerdings die Ureinwohner. 
Indianern diente Lacrosse als Kriegsvorbereitung. Statt heutzutage zehn gegen zehn, traten damals oft zwei komplette Stämme gegeneinander an. Die Medizinmänner agierten dabei als Trainer ihrer Mannschaften. Wenn sie nicht gerade ihrer eigentlichen Berufung nachgehen mussten: Die indianischen Lacrosse Spiele forderten oft Todesopfer, nicht umsonst trug Lacrosse den Namen „Kleiner Bruder des Krieges“. Spielfeldbegrenzung gab es keine, den Ball mit einer Art Fischernetz ins gegnerische Tor zu befördern, ist allerdings auch heute noch Ziel des Spiels, wovon ich mich selbst beim Lacrosse-Training im Sportzentrum überzeugen konnte.
Los geht`s mit Aufwärmtraining. Nach dem Warmlaufen, bin ich mit meiner derzeitigen Fitness noch recht zufrieden. Das ändert sich spätestens nach Liegestützen und Sit-ups. Die Tempoläufe bringen mich nun endgültig an den Rand der Erschöpfung. Mir wird klar, dass ich mit meinem momentanen Fitnesslevel ganz und gar nicht zufrieden sein kann.
Langsam bekomme ich wieder Luft und erhalte meinen Schläger, den sogenannten Stick. Am Ende des Sticks ist ein Netz befestigt, „pocket“ gennant. Dazu kommen Helm, Handschuhe, Ellbogenschützer und Schulterprotektoren. Die Vergangenheit als indianisches Kriegstraining wird mir einmal mehr bewusst.
Allerdings sind zunächst keine kämpferischen, sondern koordinative Fähigkeiten nötig: Den Ball mit dem Stick auffangen, und durch eine Art Katapultbewegung zum Mitspieler passen. Einfach. Dachte ich... Den Ball mit dem Netz aufzufangen sieht zwar einfach aus, ist es zu Beginn aber nicht: Die Koordination zwischen Arm und Schläger ist zunächst ungewohnt, ebenso wie die Einschränkung des Sichtfelds durch den vergitterten Helm.
Neben meiner Fitness beginne ich auch an meiner Koordination zu zweifeln, als der weiße Hartgummiball zum wiederholten Mal nicht im Netz des Sticks liegenbleibt.
Der Schläger war es auch, der der Sportart ihren Namen gab. Der Missionar Jean de Brebeuf fühlte sich 1634 an einen Bischofsstab erinnert. „La Crosse“, französich für Bischofsstab, war ab sofort der Name der Sportart. Aber erst gute zweihundert Jahre danach, entdeckten auch europäische Einwanderer den Sport für sich. Spätestens mit der Gründung des kanadischen Lacrosseverbands 1867 trat der Sport seinen Siegeszug auf dem amerikanischen Kontinent an. Vereine wurden gegründet und nationale Ligen aufgebaut. 1904 und 1908 war Lacrosse sogar olympische Disziplin.
Doch die Popularität währte nicht lange. In der Folge verflachte das Interesse an Lacrosse wieder. Dies hatte auch einen praktischen Grund: Immer weniger Indianer beherrschten das Handwerk der Schlägerherstellung. Profanerweise verhinderte Materialmangel die weitere Ausbreitung der Sportart.
Coach Ferdinand ruft nun alle Spieler in der Mitte zusammen. In zwei Mannschaften soll aufs Tor gespielt werden, Defense versus Offense. Die Taktik erinnert an Handball. Die angreifenden Spieler versuchen sich möglichst freizulaufen und Pässe entgegenzunehmen. Dadurch nähert man sich langsam dem Tor an. Das Spielfeld wird, ähnlich dem Eishockey, nicht von der Torlinie begrenzt. Auch Pässe von jenseits des Tores sind möglich. Anders als bei den meisten Ballsportarten gibt es keine Vorgabe, wie lang der Ball gehalten werden darf. Der ballführende Spieler kann auch einen Lauf quer über das Spielfeld ansetzten. Da Schläge auf den Stick aber erlaubt sind, ist die Gefahr eines Ballverlusts dabei relativ hoch.
Einzigartig an Lacrosse, ist die für eine Ballsportart unglaublich hohe Geschwindigkeit. Profis beschleunigen den Ball auf bis zu 160 KM/H. Nachdem ich im Bällefangen mit der Zeit ein wenig Sicherheit gewinne, gibt es im richtigen Spiel zusätzliche Herausforderungen: Ein Gegenspieler, der versucht den herannahenden Ball vor mir aus der Luft zu fischen. Und nach einem erfolgreichen „catch“? Ebenjener Gegenspieler, der mich mit einem ordentlich Bodycheck zu Boden befördert. Kein Zweifel, Lacrosse verlangt einem sowohl psychisch als auch physisch einiges ab. Die Schutzausrüstung hat definitiv ihren Sinn. Aber dennoch, Lacrosse ist ein faszinierender Sport. Die Mischung aus Koordination und Athletik findet man in dieser Weise in kaum einer anderen Sportart.
Ein Probetraining beim Passauer Lacrosse Team ist jederzeit möglich und absolut empfehlenswert!
Inzwischen befindet sich Lacrosse auch in Deutschland auf dem Vormarsch. Neben Passau gibt es noch in einigen Dutzend weiteren Deutschen Städten Lacrosse Vereine.
Den erneuten Durchbruch hat Lacrosse im übrigen einer technischen Entwicklung zu verdanken: Mit der Erfindung des Plastikschlägers, war das verlorene Handwerk des indianschen Holzschlägerbauers endgültig überflüssig geworden.



Lacrosse ist schnell - sogar zu schnell für meine Kamera
Schläge mit dem Stick- ausdrücklich erlaubt
Fliegender Wechsel -  jederzeit möglich


Lacrosse in höchster Perfektion

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